Das klang so super – gegen Ende der letzten Woche haben noch viele gejubelt, überall mit PostIts verzierte Wände.

Wie ich hier zum Beispiel mal nach einem erfolgreich durchgekämpften Workshop

Klebezettel-Schlacht

Mittlerweile höre ich vereinzelt, aber zunehmend: Das ist doch gar nicht so einfach. Die Kinder haben keine Lust mehr auf Klebezettelchen. Woran liegt das?

Mein Ansatz einer Erklärung: Befriedigung aus verschobenen PostIt-Zetteln zu ziehen, ist einfach zu viel verlangt. Wir „Alten“ haben gelernt zu abstrahieren. Wir können aus dem Anblick der von links nach rechts gewanderten Klebezettel eine Befriedigung, ein Gefühl von „was geschafft“ ziehen.

Dasselbe gilt für unsere (erwachsenen) Lernprozesse: Wir haben gelernt, das Gefühl dafür zu steuern, ob wir etwas gut verstanden haben und ob es den Anforderungen, warum ich etwas lerne, genügt. Dafür haben wir ein Mess-Instrumentarium im Kopf: Lerne ich den Umgang mit einer neuen Software, sollte ich es so gut und so gründlich lernen, dass ich damit keinen größeren Schaden anrichte, wenn ich mich dann frohen Mutes an die Arbeit mache. Springe ich für einen Kollegen ein und moderiere eine Gesprächsrunde und bin beauftragt, seine wichtigsten Punkte zum Gespräch zu bringen, arbeite ich mich freilich auch ein. Aber wahrscheinlich nicht in der Tiefe, weil der Lernanlass ein anderer ist.

Lernanlässe

Was aber – und das ist die zentrale Frage – haben unsere Kinder aktuell für Lernanlässe? Klar, da kommen die Aufgaben in die Mailbox, über eine Lernplattform oder einen anderen Kommunikationskanal. Dass Kinder der Ehrgeiz antreibt, möglichst schnell möglichst viele Klebezettel zu verschieben, halte ich zumindest  über eine längere Zeit auch für unrealistisch. Dass die Lehrkräfte deftige Rüffel austeilen, wird wohl auch nicht passieren, allein deshalb, weil keiner weiß, wie unterstützend das Umfeld der Kinder zuhause ist. Wenn also das (positive wie negative) direkte Feedback im Unterricht wegfällt, das ansonsten über so manche schwarzen Motivationslöcher hinweghilft… was dann?

Es ist die zentrale Frage, die wir in unserem Bildungssystem schon längst besser, klarer und deutlicher hätten beantworten müssen: Warum lernen die Kids?

Verbindung mit bedeutsamen Themen

Nein, ich will jetzt nicht in das Gejammer einstimmen darüber, dass unser Nachwuchs keine Steuererklärung machen kann. Dafür ist – meiner Meinung nach – Schule nicht primär da. Aber mit einer brauchbaren Schulbildung kann man sich das recht einfach erschließen/erarbeiten/die richtigen Informationen einholen. Darauf kommt’s an.

Also: Klebezettel sind’s nicht. Verwenden wir doch in diesen Tagen ein wenig mehr Zeit darauf, den Kindern zu zeigen, was die Inhalte aus der Vogelperspektive zu bedeuten haben. Warum wir uns mit der französischen Revolution, dem Wesen von Aktienkursen, dem Aufbau von Bakterien und Viren, den Funktionen unseres Immunsystems, unserem politischen System, mit unserer Landwirtschaft, mit Steuern, dem Arbeitsmarkt, mit internationalen Kooperationen etc. befassen. Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit dafür?

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Das schwarze Motivationsloch
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