Liebes Schulsystem,

hast Du das Gemecker auch gehört? Eine Ungeheuerlichkeit! Es steht ein ordentlich großer Topf mit 5 Mrd. € bereit, aus dem sich Schulen nun bedienen dürften – und keiner will das Geld haben. Es gibt Bundesländer, in denen bisher kein einziger Antrag auf Fördermittel gestellt wurde . Ist das nicht verrückt? Ist Geld nicht die Methode , um einem Thema auf der politischen Bühne Gewicht zu verleihen und dessen Relevanz zu betonen? Wie kommt es, dass wir jetzt alle danach rufen (müssen), dass digitale Bildung endlich „ernst genommen“ wird und „im Schulalltag“ ankommt?

Der Digitalpakt

Der Digitalpakt Schule ist 2019 zusammengeklöppelt worden. Frau Karliczek verkündete froh, dass nun endlich digitale Bildung „in den Schulen ankomt“. Andere waren verhaltener unterwegs, unter anderem Winfried Kretschmann, der mit der Aussage zitiert wird, dass es ihm noch nie so schwer gefallen sei, einem Kompromiss zuzustimmen wie diesem. Noch vor Corona, im Februar 2020 und somit ein Jahr nach dem digitalen Startschuss hat sich gezeigt: So einfach ist es nicht. Offenbar ist digitale Bildung nicht durch den Kauf von ein paar Tablets zu erreichen (ach was…). Durch die Corona-Krise ist der Ton rauer geworden: Wenn das Geld schon ein Jahr lang in der Gegend herumliegt, warum hat keiner beherzt zugegriffen. Und warum sind wir jetzt so weit hintendran, dass es schon fast wieder vorne ist?

Konstruktionsfehler

Mir kommt es vor, als sei der Digitalpakt die Manifestation der Formulierung: Das Geld ist notwendig, aber nicht hinreichend. Denn:

Wofür – zur Hölle! – sollen denn Schulen Geld beantragen?

• Für Lehrer? >> Nö, die ham wer ja. Und wenn wir mehr Lehrer wollen/andere/mit anderen Qualifikationen, werden wir durch bürokratischen Antrags- und Genehmigungsprozess gebremst, da hilft uns GEld maximal bei der Bestechung. Das will ja auch keiner.
• Für laufende Kosten >> nö, die sind ja gedeckt.
• Für digitale Ausrüstung (Tablets, Rechner, Infrastruktur) >> Davon haben Schulen wahlweise keine Ahnung oder dürfen nicht einkaufen (mal von der Gretchenfrage „Samsung oder Apple?“ ganz abgesehen). Spätestens bei der Ausgestaltung von Infrastruktur (W-Lan? Frei? Mit PW geschützt? Wer bestimmt das, ändert das, wie schützen wir vor Missbraucht?) ist dann gleich Ende Gelände.
• Für Lehrer-Schulung? >> Nö, der Kanon liegt in Länderhand, eine einzelne Schule kann daran nur im ganz kleinen Rahmen machen. Es gibt auch keinen Prozess, um z. B. in der Privatwirtschaft Kurse einzukaufen.
• Für Externe? >> Den Prozess gibt’s wie gesagt nicht. Schulen dürfen (anscheinend?) nur in einem sehr begrenzten Umfeld Geld ausgeben. Für z. B. externe Experten, Berater, etc. schon gleich drei Mal nicht.
• Für was also sollen sie denn das Geld ausgeben?

Eisenbahnschienen

Es gäbe Bedarf! Zum Beispiel für

• Einzelförderung zur Deckung der entstandenen Lücken (aber das braucht die Schule nicht machen, Nachhilfe ist Eltern-Thema)
• Schulungen für methodische Exzellenz bei den Lehrern (online wie – leider- auch offline)
• Entscheidungsgewalt, welche Inhalte schlicht und ergreifend zu vernachlässigen sind und deshalb durchs Raster fallen dürfen (dafür hat der liebe Gott den Lehrplan erfunden und von dem ist gefälligst aber nicht abzuweichen, weil die Inhalte aus dem nächsten Jahr auf den Inhalten dieses Jahres aufbauen)
• und und und…

Das Problem liegt oben und wird mit diesem großen Brocken Geld nach unten „delegiert“: Ja guckstewoll, wir haben doch Geld bereitgestellt. Aber die doofen Schulen haben es nicht abgerufen und tolle Dinge damit gemacht. Selbst schuld, also an uns liegt’s nicht.

Mein Senf: Nix ist im Fall von Bildung so dämlich wie die Idee, dass jede Schule sich ihre eigene digitale Lernplattform basteln soll. Das ist, wie wenn der Staat nun jedem Haushalt 10 Meter Eisenbahnschienen schenkt und sagt: los geht’s! Macht was Schönes draus.

Weiterlesen? Guckst Du hier:

https://www.tagesschau.de/inland/digitalpakt-ein-jahr-101.html

https://www.tagesschau.de/inland/digitalpakt-bundesrat-101.html

https://www.heise.de/newsticker/meldung/Digitalpakt-Schule-Laender-rufen-Mittel-kaum-ab-4682699.html